Praxisleitfaden: Partizipation im digitalen Zeitalter – das Grünbuch
Öffentlichkeitbeteiligung spielt schon länger eine wichtige Rolle in der österreichischen Bundesverwaltung. Im Jahr 2008 wurden dafür die Standards für die Öffentlichkeitsbeteiligung von einer interministeriellen Arbeitsgruppe gemeinsam mit externen ExpertInnen, Interessengruppen und NGOs entwickelt. Im Jahr 2011 folgte ein Praxisleitfaden, der über viele Jahre geholfen hat, erfolgreiche Beteiligungsprojekte zu entwickeln. Die fortschreitende Digitalisierung hat allerdings zu erheblichen Neuerungen in der Interaktion zwischen Staat und BürgerInnen geführt. Soziale Medien, digitale Technologien, neue Online-Tools und gleichzeitig gesellschaftliche Anforderungen führen zu Chancen für Partizipation und Interaktion, aber auch zu Herausforderungen für Politik, Verwaltung und Gesellschaft. Im Jahr 2020 wurde daher durch das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) ein Projekt zur Entwicklung eines neues Praxisleitfadens zu „Partizipation im digitalen Zeitalter“ initiiert. In Zusammenarbeit mit der Donau-Universität Krems (DUK) wurde eine Reihe von Workshops durchgeführt, die sich mit den relevanten Entwicklungen der letzten Jahre auseinandersetzten und deren Ergebnis mit dem Grünbuch die Grundlage für einen neuen Praxisleitfaden „Partizipation im digitalen Zeitalter“ war.
Projektmeilensteine
Der Prozess umfasste insgesamt vier Workshops zu verschiedenen Aspekten der Partizipation im Kontext des Policy Cycles sowie eine Online-Konsultation. der Bundesministerien, der Länder, des Städte- und Gemeindebundes, die Mitglieder der Plattformgruppe E-Demokratie/E-Partizipation, der Strategiegruppe Partizipation und der Arbeitsgruppe zum Praxisleitfaden 2011, die TeilnehmerInnen des GovLabAustria-Projekts „Transparenz und Partizipation in der Rechtsetzung“ sowie weiteren ExpertInnen aus den Bereichen Digitalisierung und Partizipation eingeladen. Die über 70 TeilnehmerInnen wurden aktiv in den gesamten Prozess eingebunden, vom Kickoff, der in Verbindung mit dem ersten Workshop stattfand, über die weiteren Workshops, Konsultation bis hin zum online stattfindenden Abschlussworkshop.
Foto: Edelmann
Policy Cycle
Der Policy Cycle ist ein Modell zur analytischen Strukturierung eines politisch-administrativen Prozesses; seit 2013 orientiert sich die österr. Bundesverwaltung auch im Rahmen der wirkungsorientierten Verwaltungssteuerung an diesem Zyklus. Er bildet die Grundlage für eine evidenzbasierte Politikgestaltung, die durch Monitoring und Evaluation abgesichert ist, und unterstützt, im Idealfall, multiperspektivische Ansätze durch transparente Entscheidungsprozesse. Das Modell hat den Vorteil, dass die verschiedenen Phasen des Prozesses hinsichtlich ihrer Ziele klar beschrieben sind. Es ermöglicht eine genauere inhaltliche Analyse der Fragestellungen innerhalb der einzelnen Phasen und bietet eine neue Perspektive auf die wirkungsorientierte Gestaltung und Umsetzung von Partizipationsprojekten in allen Phasen. Natürlich sind Prozesse in der Realität vielschichtig und verlaufen nicht immer linear, aber der Policy Cycle trägt zu einer transparenten, präzisen und zielorientierten Betrachtung, Planung und Bewertung von Beteiligungsprojekten im öffentlichen Sektor bei.
In der Literatur finden sich verschiedene Modelle des Policy Cycle, einige wurden speziell für Bürgerbeteiligung und E-Engagement angepasst. Unter Berücksichtigung der in der österreichischen Bundesverwaltung angewandten wirkungsorientierten Verwaltungsführung und Folgenabschätzung wurden folgende Phasen des Policy Cycle als zentral für Partizipationsprozesse identifiziert:
- Themenfindung und Agenda Setting
- Analyse und Politikdiskussion
- Politikformulierung (Formulierung von Politiken, Gesetzen, Projekten und Plänen)
- Entscheidung (politische Entscheidung oder Entscheidung im Wege der direkten Demokratie)
- Umsetzung
- Evaluierung (auf der Basis eines kontinuierlichen Monitorings)
Abbildung 1: Politikzyklus (Grünbuch S.15)
Abbildung 1 zeigt den für die Workshops und das Grünbuch entwickelten Politikzyklus (deutsch für Policy Cycle), er betrachtet Beteiligungsverfahren aus der Perspektive der Phasen des Politikzyklus. Dabei ist zu beachten, dass Beteiligungsverfahren in einzelnen Phasen, in mehreren Phasen oder in allen sechs Phasen des Politikzyklus eingesetzt werden können. Die Besonderheiten der Partizipation innerhalb jeder einzelnen Phase des Politikzyklus wurden in jedem Workshop berücksichtigt.
Die Entwicklung des Grünbuchs: Thematische Workshops und Online-Konsultation
Von Januar bis Mai 2020 fanden drei thematische Workshops zu den Themen Beteiligung im Kontext des Politikzyklus, Designs und Methoden, Leitprinzipien sowie eine Online-Konsultation und ein abschließender Online-Workshop statt. Jeder thematische Workshop ermöglichte es ExpertInnen und Stakeholdern der Öffentlichkeitsbeteiligung, ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu analoger und digitaler Beteiligung in den Phasen des Politikzyklus einzubringen und die wichtigsten Prinzipien der Öffentlichkeitsbeteiligung, die Gestaltung von Beteiligungsprozessen sowie die Methoden und die Werkzeuge aufzuzeigen, die für die verschiedenen Phasen des Politikzyklus am besten geeignet sind. Parallel dazu wurden Best Practice-Beispiele der ExpertInnen gesammelt.
Das während der thematischen Workshops gesammelte Fachwissen führte zum Entwurf des Grünbuchs, der öffentlich auf der online Plattform Discuto zur Kommentierung zur Verfügung gestellt wurde. Mehr als 30 Personen nahmen von März bis April 2020 an dem Konsultationsprozess teil und gaben über 170 Kommentare ab. Alle Kommentare wurden geprüft und, soweit möglich, in die aktuelle Version des Grünbuchs eingearbeitet. Diese Version des Grünbuchs wurde während des Abschlussworkshops vorgestellt, der aufgrund von COVID-19 online abgehalten wurde. In diesem Workshop wurden ausgewählte Ergebnisse aus der Online-Konsultation gemeinsam mit Ursula Rosenbichler (BMKÖS), Martina Handler (ÖGUT), Philippe Narval (Europäisches Forum Alpbach) und Peter Parycek (Donau-Universität Krems) präsentiert und gemeinsam mit allen TeilnehmerInnen reflektiert.
Foto: BMKÖS
Grünbuch: Partizipation im digitalen Zeitalter
Dieses Grünbuch stellt den ersten Teil des Entwicklungsprozesses des neuen „Praxisleitfadens: Partizipation im digitalen Zeitalter“ dar. In einem mehrstufigen und methodenübergreifenden partizipativen Prozess soll der Praxisleitfaden für Beteiligungsprozesse auf bestehende Verfahren, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, praktische Erfahrungen und kritische Reflexionen der Beteiligten zurückgreifen. Er soll Einblicke in die Ziele analoger, digitaler und hybrider Beteiligungsprozesse, in die notwendigen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten geben und Partizipation, verstanden als politisch-administratives Handeln im digitalen Zeitalter betrachten. Im Zentrum stehen dabei integrative Öffentlichkeitsbeteiligung als nachhaltige Form der Umsetzung von Ideen und Lösungen, die durch Partizipation entwickelt wurden, sowie die Generierung von neuem Wissen, die Weiterentwicklung von partizipativen Verfahren, Monitoring und eine Evaluation von Ergebnissen und Prozessen. Es geht jedoch auch um die Notwendigkeit, die verschiedenen Arten der Beteiligung zu berücksichtigen, um das Ausmaß, in dem die Öffentlichkeit in den politischen Entscheidungsprozess einbezogen wird, um Prinzipien, die für alle partizipativen Prozesse gelten, und schließlich um die Bandbreite der Methoden, die heute für die Beteiligung zur Verfügung stehen.
Am 16. Dezember 2020 wurde das Grünbuch von Bundesminister Mag. Werner Kogler im Ministerrat (MRV 42/23) gemeinsam mit der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vorgestellt und beantragt, die weiteren Schritte zur Erstellung des „Praxisleitfaden: Partizipation im digitalen Zeitalter“ einzuleiten.
Nähere Informationen zum Entwicklungsprozess und den Download finden Sie unter www.oeffentlicherdienst.gv.at/partizipation
Grünbuch: Partizipation im digitalen Zeitalter (Download)
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Kontakt
Dr. Noella Edelmann
Donau-Universität-Krems
Department für e-Governance in Wirtschaft und Verwaltung
noella.edelmann@donau-uni.ac.at
02732-893 2303
Team Donau-Universität Krems
Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport
Abteilung III/C/9 – Strategisches Performancemanagement und Verwaltungsinnovation
partizipation@bmkoes.gv.at
+43 1 71 606-667 333